Neue Kooperationen
für leistbare und offene Räume

in Friedrichshain-Kreuzberg

Beitrag

Communalisierung in Friedrichshain-Kreuzberg

Bilanz und Perspektiven von Bezirksstadtrat für Bauen, Planen und Facility Management Florian Schmidt

Seit 2017 wurden im Bezirk ca. 4.000 Wohnungen über Vorkauf, Abwendung oder präventiven Erwerb abgesichert. Das sind ca. 2,6 % der rund 150.000 Wohnungen im Bezirk. Damit ist der Anteil gemeinwohl­orientierter Wohnungen von 25 % auf 28 % gestiegen. Hinzu kommen Verträge zur Vermeidung von Modernisierungs­umlagen bei 4.000 Wohnungen und zahl­reiche kommunale Neubau­projekte. Neue munizipa­listische Allianzen und Koopera­tionen von Politik und Zivil­gesell­schaft machen es möglich, dass die Communalisierung von mindestens 50 % der Wohnungen ein realistisches Ziel ist.

Viele Alt­eigen­tümer*innen, die Kirchen oder karitative Träger sind mit moderaten Mieten zufrieden, haben oft ein persönliches Verhältnis zu Mieter*innen. Und es gibt Genossen­schaften, kommunale Wohnungs­unternehmen, Stif­tungen und das Miets­häuser­syndikat. Diese Akteure sind derzeit dabei die Stadt zurück­zukaufen. Friedrichs­hain-Kreuzberg ist Hotspot der Bewegung. Das Bezirks­amt ist Teil der Bewegung. Ziel ist es, dass mindestens 50% der Wohnungen gemeinwohl­orientiert sind, wie es in Wien der Fall ist. Doch während Wien seit über 100 Jahren einen kommunalen und genossen­schaftlichen Neubau gefördert hat, muss Berlin und Friedrichs­hain-Kreuzberg auf die Communalisierung des Bestandes setzten.

Die Bewegung der Communalisierung

Communalisierung mit C steht für die Überführung von Immobilien in gemeinwohlorientierte Bewirtschaftungsformen. Es geht also nicht nur um Kommunalisierung mit K, womit Verstaatlichung gemeint ist. Das C steht für das englische Wort „Common“, zu Deutsch Gemeingut. Unter Communal sind Bewirtschaftungsformen zu verstehen, die Immobilien vom spekulativen Immobilienmarkt abkoppeln und das Allgemeinwohl im Blick haben. Natürlich sind bestimmte Eigentumsformen, wie z.B. Genossenschaften oder kommunale Gesellschaften, per se mehr auf das Gemeinwohl verpflichtet, als ein Haus in Familienbesitz, dass jeder Zeit verkauft werden kann. Doch das große Ziel den Immobilienmarkt zu einem communalen Wohnungswesen umzubauen, können wir nur erreichen, wenn wir alle Kräfte zusammenführen, auch die von sozialen Privateigentümer*innen. Teil der Bewegung sind auch Banken, die ihren Kunden ermöglichen, in soziale Immobilienprojekte zu investieren. Erspartes in Gemeinwohlimmobilien anlegen hat großes Potential. Auch viele Mieter*innenvereine und –initiativen ziehen am selben Strang. Die Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen vorneweg.

Wir holen uns die Stadt zurück

Aktuell schreibe ich ein Buch, in dem ich die Bewegung der Communalisierung erkläre. Es trägt den Titel: „Wir holen uns die Stadt zurück“ und erscheint bei Ullstein. Communialisierung betrachte ich als eine neue Bewegung, weil ich erlebt habe, welche Durchsetzungskraft bei einigen Projekten entstanden ist. Da war zunächst 2017 ein Haus in der Zossenerstraße 48. Mit unglaublichem Elan schafften es die Mieter*innen, vorneweg die fantastische Yvonne von Langsdorf, das Haus im Rahmen des Vorkaufs mit einer Stiftung und dem Mietshäusersyndikat zu erwerben. 2018-19 dann der Rückkauf von 800 Wohnungen in der Karl-Marx-Allee. Obwohl die Deutsche Wohnen bereits gekauft hatte, konnten wir gemeinsam mit den Mieter*innen und dem Senat das Unmögliche schaffen. Durch ein innovatives Modell, bei dem zunächst die Mieter*innen ihr Vorkaufsrecht ausübten, wurden die Wohnungen von der landeseigenen Gewobag erworben. Ein anderes Beispiel ist die Genossenschaft Diese e.G. Mit viel Mut gründeten die Mieter*innen 2019 eine Genossenschaft und setzten gemeinsam mit dem Bezirk ein neues Modell beim Vorkauf um. Eine Revolution nannte das die Süddeutsche Zeitung.  10 Häuser wurden in genossen­schaftlichen Besitz überführt. Ab 2020 zogen dann weitere Genossen­schaften nach und das Bezirksamt übte öfter für Genossen­schaften als für landes­eigene Gesell­schaften das Vorkaufs­recht aus, darunter die Ostseeplatz e.G., die Brehmer Höhe e.G. oder die Grüne Mitte e.G.. Schließlich begannen Haus­gemein­schaften den präventiven Erwerb in Koopera­tion mit dem Bezirks­amt umzusetzen. Sie erwarben ihre Häuser direkt von Eigentümer*innen, ohne den Umweg übers Vorkaufs­recht. Am Mehringplatz engagierten sich ab 2020 Mieter*innen von 350 Wohnungen in einem privaten Sozialbau für eine klassische Kommunali­sierung. Unterstützt wurden sie von Norbert Bogedein, dem Vorstand des Mieterbeirats der Karl-Marx-Alle, und der vom Bezirk geförderten Bauhütte in der Friedrich­straße. Schließlich erwarb die landes­eigene Howoge den Wohnkomplex. Am Kotti wurden über 600 Wohnungen kommunalisiert. Die Genossenschaft Eine für Alle arbeitet seit Jahren an der Communalisierung der Gewerbe­höfe in der Ratiborstr. 14 und der Lausistzerstr. 10/11, – jetzt fehlt noch das OK des Senats. Die Beispiele zeigen, dass das Engagement der Betroffenen und die Zusammen­arbeit mit Akteuren der gemeinwohl­orientierten Immobilien­wirtschaft zum Erfolg führen.

Neue Akteure und Kooperationsformen

Die von der Rot-Rot-Grünen Koalition gesetzten Rahmenbedingungen waren entscheidend für die Erfolge der Communalisierung. Durch Fördermittel, immer wieder eingefordert durch unsere Abgeordnete Katrin Schmidberger, konnten kommunale und genossenschaftliche Unternehmen oft Ankauf und Vorkauf meistern. Die vielen Abwendungsvereinbarungen, mit denen Käufer*innen sich auf den Milieuschutz verpflichten, konnten abgeschlossen werden, weil die Drohkulisse Vorkauf real war. Ebenso wichtig war es Unterstützungsstrukturen zu schaffen.
In Friedrichshain-Kreuzberg sind das die Arbeits- und Koordinierungsstruktur für gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung, kurz AKS, für Bestandsimmobilien und das Projekt LokalBau für kooperativen Neubau. Das Projekt Häuser Bewegen, die AKS und das Bezirksamt haben mittlerweile einige Häuser auf dem Weg zum präventiven Erwerb beraten und begleitet. Wöchentlich melden sich Hausgemeinschaften.
Gemeinsam mit vielen Initiativen und Projekten wurde Deutschlands erste Bodenstiftung nach dem Vorbild des Community Land Trust ins Leben gerufen, die Nachbarschaften in die Bewirtschaftung von Immobilien einbezieht. Die Kooperationsplattform „Baustelle Gemeinwohl“ wurde von Initiativen für leistbare und offene Räume gegründet. Die Idee einer Stadtwerkstatt auf dem Dragonerareal wurde entwickelt. Ihr Ziel ist es, den Menschen einen zentralen Ort für das gemeinsame Gestalten der Stadt zu bieten. Sobald das Pandemiegeschehen es erlaubt, wird es erste Veranstaltungen geben. Als Pilotprojekt für ganz Berlin wurde von Betroffenen Hausgemeinschaften, der AKS und dem Bezirksamt der Vorkaufsrat Xhain gegründet. Im Vorkaufsrat tauschen sich Vorkaufshäuser mit dem Bezirk und kooperierenden Organisationen aus, um das Vorkaufsrecht umzusetzen und zu verbessern.

Die letzten 4 Jahren waren der Auftakt für einen langen Weg zur Communalisierung. Doch die Zahlen zeigen, dass ein erster Schritt getan ist. Kooperations­strukturen sind aufgebaut, Partner stehen bereit. Nun kommt es darauf an weiter zu machen und nicht nachzulassen, denn die Immobilien in unserem Bezirk sind weiter­hin Beton­gold. Ich denke: Die Menschen erwarten, dass die aktuellen Erfolge kein Stroh­feuer waren, sondern die Politik lang­fristige Strategien und Lösungen verfolgt.

Florian Schmidt, Bezirksstadtrat für Bauen, Planen und Facility Management


Dieser Artikel erschien zuerst im Stachel, der bündnisgrünen Parteizeitung in Xhain.

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