Die Veranstaltung am 15. September 2021 zur möglichen kooperativen Entwicklung eines Immobilienprojektes an der Friedrichstraße 18/19 koordinierte das LokalBau-Team. Ziel war es nützliche Impulse zu sammeln. Die Veranstaltung wurde für all diejenigen konzipiert, die in die vorbereitende Koordinierung einbezogen waren. Als bürgerschaftliche Vertretung im Sanierungsgebiet südliche Friedrichstraße waren Mitglieder der Gebietsvertretung eingeladen. Außerdem waren Mitglieder der ›Bauhütte Kreuzberg‹ anwesend, die seit Jahren lokale Projektarbeit und Community Organizing auf dem Standort betreiben.
Einführende Vorträge
Der Beschluss des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg vom 11.05.2021, gibt an, dass auf der Fläche der Friedrichstr. 18/19 ein Mehrfachnutzungsstandort entwickelt werden soll. Die Idee ist hierbei die Ansiedlung des Friedrichshain-Kreuzberg Museums (FHXB), des Schwulen Museums Berlin (smu) sowie die Integration einer Unterbringung für Geflüchtete.
Nach einer Einführung durch Stadtrat Florian Schmidt hörten wir Inputs von Hosea Dirschauer (Stadtenwicklungsamt, Fachbereich Stadtplanung) zum Stand des Projektes, anschließend Mirka-Marie Schulze (Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten LAF), die verschiedene Standards von Modularen Unterkünften für Flüchtlinge (MUF) vorstellte und eine Ergänzung fand durch die Vorstellung des Konzeptes ›Ankommen und Bleiben‹ durch Florian Tienes und Anna Holzinger (von AG Urban). Natalie Bayer vom Friedrichshain-Kreuzberg Museum (FHXB) und Birgit Bosold vom Schwulen Museum (SMU) berichteten zusammen von ihren Vorstellungen, wie ein Prozess zu einem gemeinsam genutzten Museumshaus laufen könnte. Schließlich hörten wir einen Input von Rocco Ziehlke, der aus Sicht der Bauhütte Kreuzberg berichtete, welche Projekte mit den Nachbar*innen in der laufenden Zeit der Zwischennutzung auf der Fläche entwickelt wurden.
Im Vorfeld der Veranstaltung wurde die Projektidee im Sanierungsbeirat vorgestellt, und dieser formulierte daraufhin Kritik am bisherigen Verfahren. Die StadtWERKSTATT sollte nun frühzeitig auftretende Probleme, Befürchtungen und Missverständnisse auffangen. Ziel war ein gegenseitiges Kennenlernen, um zu verstehen, was die verschiedenen Akteure mit der Idee einer multifunktionalen und kooperativ betriebenen Einrichtung verbinden.
Sammlungen in den Arbeitsgruppen
Mit der Methode „World Café“ sollten alle Teilnehmer*innen für eine Runde in jeder Arbeitsgruppe beitragen. Nach jeder Runde wurden den Neuen am Tisch von den Moderatoren berichtet, was die vorige Runde auf den Tisch gebracht hat, um darauf aufbauend weiterzumachen.
Gesammelt in drei Gruppen und in ein Fazit gebracht:
Diskussion über den Zeitpunkt einer Öffnung des Verfahrens und die weitere Verfahrensweise
Die einige Tage vor der StadtWERKSTATT von der Gebietsvertretung formulierte Kritik am bisherigen Prozess wurde zum Ausgangspunkt der Gruppenarbeit am Tisch „Kooperationspraxis“. Es sei bisher eine „Nichtbeteiligung“ und das entspreche nicht den Abmachungen zur Zusammenarbeit hinsichtlich baulichen Entwicklungen im Sanierungsgebiet. Allerdings ist das Stadtentwicklungssamt und das Amt für Weiterbildung und Kultur nach dem vorliegenden BA-Beschluss dafür zuständig, verwaltungsintern vorbereitende Schritte für eine entsprechende Projektentwicklungen zu machen.
Die Diskussion ging darüber, wann der Startpunkt für Beteiligung zu setzen sei. Aus Sicht des Amtes sei eine Veranstaltung wie diese StadtWERKSTATT der frühestmögliche Zeitpunkt, um Meinungen von anderen Akteuren einzuholen. Die Gebietsvertretung wünschte sich aber noch früher einbezogen zu sein und meint, es ginge nicht, dass ohne ihre Beteiligung Beschlüsse gefasst würden.
Deutlich gemacht wurde von den Vertreter*innen, die sich als mögliche Kooperationspartner*innen bei der Entwicklung sehen, dass bisher „nur“ Gedankenspiele gemacht wurden. Es wurden Modelle erarbeitet, die strukturell und organisatorisch eine gemeinsame Entwicklung möglich erscheinen lassen, aber es wurden bisher keine Verträge oder auch nur Absichtserklärungen gefasst. Man bewege sich im Feld der Ideenfindung. Einig seien sich die Partner*innen aber, dass der BA-Beschluss synergetisch umgesetzt werden kann, und dass alle dazu Willens sind, ein integratives Haus, in dem Kulturinstitutionen und Geflüchtetenwohnen zusammenkommen, umzusetzen.
Deutlich wurde darüber hinaus, dass der Rahmen für ein kooperatives Verfahren und die Form von Beteiligung von Akteuren der Umgebung, gemeinsam bestimmt werden sollte und vor allem klar benannt werden sollte. Rollen, Mandate, Zuständigkeiten und Formen der Integration in eine gemeinsame Planung müssten geklärt werden und klar kommuniziert sein. Vorgeschlagen wurde zum Zwecke dieser Aushandlung ein „Zukunftsrat“, ein Instrument, das beim Sanierungsgebiet Rathausblock zur Anwendung komme.
Bedenken gegenüber dem Nutzungskonzept und Einschätzungen zu Chancen und positiven Effekten
Bezogen auf die vorgesehenen kombinierten Nutzungen, wurde die Befürchtung geäußert, dass das Quartier auch jetzt schon schwer belastet sei und es starke Spannungen zwischen den Nutzer*innen des Stadtraums gäbe. Als Herausforderung wird die heterogene Nachbarschaft mit sehr unterschiedlichen Milieus und Nutzungsansprüchen empfunden. Genannt wurden z.B. stark vermüllendes „Party-Volk“, bestehende Konflikte zwischen verschiedenen migrantisch-geprägten Gruppen, ausgeprägte homophobe Haltungen. Deshalb wird von manchen befürchtet, dass eine Präsenz von Geflüchteten hier eher eskalierend als entspannend wirken könne und weitere Nutzungskonflikte hinzu kämen. Befürchtet wird außerdem, dass die Aufgaben der sozialen Einrichtungen im Gebiet durch die Anzahl der Unterkunftsplätze stark beansprucht wird, weshalb gefordert wurde, dass das Personal für die Einrichtungen auszubauen sei.
Der Anteil der Nutzung für Geflüchtete soll zwischen 1/4 bis 1/5 liegen. Es besteht die Möglichkeit, dass Gruppen von Geflüchteten wohnhaft werden, deren Fluchterfahrung mit dem Profil der Kulturnutzungen ein bereicherndes Spannungsverhältnis bilden. Das FHXB hat mit den vielfältigen lokalen Kooperationen bereits jetzt Projekte, die sehr passend und integrativ erscheinen. Möglich scheinen zudem direkte Kooperation z.B. bei einem teils von Geflüchteten betriebenen Café oder der weiteren Zusammenarbeit in Projekten, die die Arbeit der Bauhütte Kreuzberg fortsetzen.
Als beispielhaft wurde das Projekt ›Bellevue Di Monaco‹ aus München genannt, welches eine sinnvolle Ergänzung von Geflüchtetenwohnen, gewerblichen Nutzungen und Kultur zeigt: Das Projekt eröffnet neue Chancen der beruflichen Integration und bietet über ein genossenschaftliches Trägermodell umfassende Mitwirkung und Beteiligung der Nachbarschaft und interessierten Zivilgesellschaft.
Bezogen auf den zu erwartenden Baukörper wird die Befürchtung geäußert, dass die Baumasse im Straßenbild zu massiv würde. Baurechtlich geht es um die Schließung einer Baulücke in Blockrandbebauung. Städtebaulich könne deshalb keine zu hohen Dichte abgeleitet werden. Durch die multifunktionale Nutzung von unterschiedlichen Nutzer*innen-Gruppen kann auch nicht argumentiert werden, dass eine Gruppe übervorteilt oder benachteiligt würde. Ganz im Gegenteil, das kooperative Konzept integriere ja gerade nachbarschaftliche Nutzungen, für die jetzt der Raum fehle. Somit sei die benannte Zielvorstellung dazu geeignet, vielen Bedarfen aus dem Sozialraum entgegenzukommen. Dies ist städtebaulich und aus Sicht der sozialräumlichen Planungskoordination gut überdacht und ausdrücklich gewünscht.
Bauhütte als Akteur mit besonderer Bedeutung
Die Arbeit, die von den Beteiligten der Bauhütte Kreuzberg derzeit in Form einer Zwischennutzung geleistet wird, wird von allen als besonders wertvoll angesehen. In den unterschiedlichen Projektgruppen, die sich im Laufe der Zeit entwickelt haben, werden Bedarfe von recht unterschiedlichen Gruppen abgebildet, was durch Community-Building unterstützt wird. Das hat teils sozialen, teils kulturellen Charakter, auch geht es um das Kümmern am Ort selbst, u.a. in Form von Urban Gardening.
Auch als Akteure in der Gebietsvertretung und mit dem Hintergrund, dass die Projekteleiter*innen der Bauhütte aus dem Bereich Planung/Architektur/Beteiligung kommen, nehmen die einzelnen Aktiven der Bauhütte wichtige Schnittstellenfunktionen ein.
Durch diesen doppelten engen Bezug (1. zum Ort und den Menschen vor Ort, 2. zur organisatorischen Beteiligungsstruktur des Sanierungsgebiets) scheint die Bauhütte äußerst geeignet, eine stärkere Rolle in der Kooperation zu spielen. Es wurde in der Diskussion angeregt, Projektinhalte, die jetzt während der Zwischennutzung in der Baulücke Positionen für die Entwicklung des Ortes erarbeiten, über die Bauhütte zu Bedarfsträger*innen zu qualifizieren, um sie so ins kooperative Verfahren einzubringen. Dies kann so weit gehen, dass in der Planung auch Raum für Folgeprojekte eingeplant werden kann, bzw. dass nach Möglichkeiten zur Weiterführung von Projekten mit den zukünftigen Kooperationspartner*innen (SMU, FHXB, Kulturamt, LAF) gesucht wird.