Neue Kooperationen
für leistbare und offene Räume

in Friedrichshain-Kreuzberg

Beitrag

Häuser(ver)kauf in Friedrichshain-Kreuzberg: Wo stehen wir?

Zur Diskussion dieser Frage auf der kommenden Baustelle Gemeinwohl am 23. November – Anmeldung siehe unten – möchten wir hier einen kurzen Einblick in einige gemeinwohlorientierte Immobilienangelegenheiten geben, mit denen sich die AKS Gemeinwohl befasst:

Kommunales Vorkaufsrecht: Rückgrat gemeinwohlorientierter Immobilienpolitik

Seit dem Kahlschlag des kommunalen Vorkaufsrechts im November 2021 sind alleine im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg 57 prüfungsrelevante Häuser in Erhaltungsgebieten verkauft worden. Für alle diese Häuser wurde das Vorkaufsrecht-Verfahren eingestellt. Das sind knapp 1000 Wohnungen und 80 Gewerbeeinheiten, die ohne die Möglichkeit eines Vorkaufs oder einer Abwendungsvereinbarung geblieben sind.

In früheren Jahren wurden durchschnittlich 45% der Prüffälle mit Abwendungsvereinbarungen und 20% der Prüffälle mit einem Vorkauf durch gemeinwohlorientierte Drittkäufer beendet. Das sind insgesamt 28 Häuser mit 740 Wohnungen und 59 Gewerbe im Vorkauf und 91 Häuser mit knapp 2000 Wohnungen und 188 Gewerbe mit Abwendungsvereinbarungen. Viele dieser Häuser drohen, insbesondere aufgrund der anhaltenden Rechtsunsicherheit von Abwendungsvereinbarungen, aus der öffentlich-rechtlichen Absicherung zu fallen.

Seit 2018 wurden sämtliche Vorkaufsfälle kooperativ vom Bezirksstadtrat, dem Fachbereich Stadtplanung (Gruppe Erhaltungsgebiete), der ASUM Mieterberatung und der AKS Gemeinwohl bearbeitet und begleitet, natürlich unter Rücksichtnahme auf den Datenschutz.

Nicht nur aus Sicht der AKS Gemeinwohl sollte eine grundlegende Überarbeitung des kommunalen Vorkaufsrechts auf der politischen Agenda stehen.

Im Rahmen des Forschungsprojekts „Critical Mapping in Municipalist Movements“ an der TU Berlin hat die AKS Gemeinwohl unter Mithilfe vieler weiterer Akteur*innen an einem Mapping-Prototypen verbunden mit einer „Wishlist“ für eine Weiterentwicklung des kommunalen Vorkaufsrechts mitgewirkt. Diese Arbeiten werden im Rahmen der Veranstaltung der Baustelle Gemeinwohl am 23. November 2022 veröffentlich.

Gemeinwohlorientiert handeln, heißt Nutzer*innenorientiert denken. Änderungsvorschläge für eine Neuauflage des kommunalen Vorkaufsrechts:

  1. „Gebietsunabhängiges kommunales Vorkaufsrecht“: städtebauliche, gemeinwohlorientierte und soziale Stadtrendite maximal verstärken!
  2. „Preislimitierung“ auf 10% unter Verkehrswert/Verkaufswert: die Preisspirale durch die Vermeidung von Verkehrswerten und die Anwendung eines preiliminierten Vorkaufsrechts beenden!
  3. „Recht auf Abwendung abschaffen“ durch den ursprünglichen Käufer: Harmonisierung mit dem BGB-Vorkaufsrecht von Mieter*innen in Eigentumswohnungen – unbedingtes Recht auf Vorkauf!
  4. „Einbindung von Mieter*innen und gemeinwohlorientierten Käufern“ – Landeseigene Wohnungs Unternehmen und „private“ GI-Unternehmen – über geregelte Informations- und Beratungsverfahren in Kooperation mit „munizipalistischen o. intermediären“ Strukturen!
  5. „Abwendungsvereinbarung (NICHT VKR) als ultima ratio“: nur wenn kein Käufer bereit steht, wird AV geschlossen
  6. „Optionale Fristverlängerung für Nutzer*innen“: gemeinwohlorientierte Vorhaben brauchen unter Umständen Zeit!

Verluste in Aussicht: Auslaufen der Sozialbindungen

It’s getting worse: viele Häuser im Bezirk werden in Zukunft ihre sogenannte Sozialbindung verlieren, die aus ehemaligen Sanierungs- und Privatisierungsauflagen resultiert. Bis zu 1000 und durchschnittlich 600 Wohnungen werden in Zukunft pro Jahr aus dieser Bindung fallen und damit vermutlich in ihren Neuvermietungsmieten sprunghaft ansteigen. Berlinweit liegt diese Zahl übrigens bei etwa 5000 pro Jahr. Bis zum Jahr 2032 werden im Bezirk von diesen aktuell knapp 9500 noch 3000 Wohnungen übrig sein, ein Minus von 70%. Berlinweit sinkt diese Zahl von gut 90.000 um mehr als die Hälfte auf etwa 40.000. Neubau substituiert bei weitem nicht den Verlust. Falls der Neubau so umgesetzt wird, wie geplant, landet Berlin 2032 trotzdem bei einem Minus von 10%.

Die AKS Gemeinwohl hat bisher mit den „alten“ Sozialbindungen wenig zu tun. In etwas anderer Form spielt das Thema allerdings bei der Begleitung von Ankäufen durch Genossenschaften eine Rolle, die eine Bestandserwerbsförderung unter der Auflage von Belegungsrechten vom Land Berlin in Anspruch genommen haben.

Präventiver Erwerb: eine neue Strategie für den gemeinwohlorientierte Haus(ver)kauf

Mal was anderes: Im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg wurden in den letzten sechs Jahren gemäß eigenen Recherchen der AKS Gemeinwohl ca. 3.500 Wohnungen „präventiv“ durch Landeseigene Wohnungsunternehmen (LWU) und gemeinwohlorientierte Unternehmen wie Genossenschaften angekauft. Dazu gehören große Häuser wie die Karl-Marx-Allee, das Neue Kreuzberger Zentrum oder die Düttmannsiedlung genauso wie kleinere Häuser wie die Ohlauer Str. 36 oder die Freiligrathstr. 5.

Genauere Zahlen werden aktuell im Rahmen einer vom Bezirksamt beauftragten Studie zusammengestellt. Es wird bereits erkennbar, dass eine kooperative Ansprechbarkeit und Umsetzung von Strategien abseits des Vorkaufsrechts eine klare Wirkung erzielt.

Für die Praxis des Präventiven Erwerbs bietet die Baustelle Gemeinwohl eine Plattform, um bereits bestehende Netzwerke zu verfeinern und neue Strategien und Kooperationen zu finden.

Häuserkauf als gesellschaftliche Aufgabe:

Stellt euch vor, wir würden in einem Bezirk leben, in dem es immer Räume gibt – zum Beispiel für Menschen, die ihre Wohnung verlieren und vielleicht gar keine Miete zahlen können. Stellt euch vor, es gibt so viele Räume, dass es überhaupt kein Problem ist, von A nach B zu ziehen.

Stellt euch vor, wie diese Stadt in 10 oder 50 Jahren sein sollte, damit es Räume gibt, die den Menschen um uns herum und der gemeinsamen Zukunft von allem, was damit zusammenhängt, dienen. Was müssen wir dafür tun?

Der notwendige und mittlerweile teils spürbare gesellschaftliche Umbruch ist ein demographischer Wandel, ein klimatischer Wandel, er ist verbunden mit sozialer Umverteilung bzw. Ungleichheit und vielem mehr. Die Zukunft des Wohnens, des Arbeitens, der Wohnungslosigkeit und der Arbeitslosigkeit ist mit diesem Umbruch verbunden. Die Bewirtschaftung von Häusern und der Zugang zu ihren Räumen hat maßgebliche Auswirkungen darauf, wie stark wir das Klima werden schützen können und wie gut wir auf die Alterung und Hilfsbedürftigkeit der Menschen in unserer Gesellschaft werden reagieren können.

Zahlen braucht eigentlich kein Mensch, um zu spüren oder zu erkennen, dass da mit dem Geld, den Häusern und den Menschen etwas nicht stimmt. Es gibt viele alternative Ansätze, aus denen wir lernen können.

Wir sollten dringend darüber sprechen, wie wir kooperativ mit dem Häuserkauf im Sinne einer sozial und ökologisch nachhaltigen Gesellschaft weiter machen wollen.

Kommt zur Baustelle Gemeinwohl am 23. November um 18 Uhr im Kiezraum: Anmeldung und Programm HIER.

17. November 2022

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In Zusammenarbeit von:AKS Gemeinwohl AKS GI-Stelle

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Gemischte Immobilien­konzepte fördern – Wohnen, Gewerbe & Soziales verbinden

Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, die Idee der „Berliner Mischung“ zu aktualisieren, für sie zu streiten und auch Neubauprojekte mit nachhaltigen hybriden Bautypologien zu entwerfen. Wie setzen uns für praktikable Rahmenbedingungen ein und fordern Förderprogramme, die zum Ausbau und Erhalt von gemischten Projekten dienlich sind.

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