Bessere Methoden der Aneignung entwickeln, um in die Entwicklung von Potenzialflächen für kooperative und gemeinwohlorientierte Projekte zu kommen.
Zwei herausgehobene Immobilienprojekte als Beispiele für den Einstieg
Die Gruppe bestand zeitweise aus bis zu 15 Personen, die nach anfänglicher Erklärung des Arbeitsmaterials durch die Moderation in eine offene Diskussion einstieg. Die Moderation setzte einen Fokus auf zwei Potenzialflächen, die auf der LokalBau-Karte dargestellt wurden und bei denen aktuell konkret mit unterschiedlich weit geführten Verfahren die Möglichkeit diskutiert werden konnte, wie gemeinwohlorientierte Akteure in die Projekte einsteigen können. Beispielhaft wurden das BSR-Areal und das Gelände an der Franz-Künstler-Str. herausgegriffen, um Möglichkeiten und Probleme zu erkennen.
Am BSR-Areal (Mühlenstraße 8) hat die BSR die Möglichkeit eröffnet, Teile des großen Betriebshofes außerhalb der BSR-Nutzung entwickeln zu können. Es gibt schon lange einen B-Plan, der vorsieht, dass 1/3 des Entwicklungspotenzials als Wohnen und 2/3 als Gewerbe genutzt werden kann. In einer groben Vorstellung zu einer zukünftigen Quartiersentwicklung würde die BSR nur noch etwa 1/3 der Grundfläche brauchen und ihren Betriebshof mehrstöckig übereinander organisieren. Die restlichen 2/3 der Grundfläche könnten dann ca. zu je 50 % als Wohnen und Gewerbe entwickelt werden. Insgesamt geht es um rund 114.000 qm Bruttogeschossfläche (BGF). Als gesetzter Partner für eine solch massive Entwicklung gilt die WBM, doch das landeseigene Wohnungsunternehmen ist nicht zwingend prädestiniert, auch sehr große Gewerbeanteile (ca. 38.000 qm BGF) zu bauen und zu betreiben. Bisher wurde eine Machbarkeitsstudie erstellt, die abbilden konnte, dass die Mischnutzung im Quartier (BSR als Betriebshof mit „störendem Gewerbe“ / Wohnen / Gewerbe) in den Vorgaben des B-Plans grundsätzlich und baulich möglich ist. Ebenso wurde eine immobilienwirtschaftliche Betrachtung gemacht, die darlegte, dass am Standort extrem hohe Mieten (speziell im Gewerbebereich) erwartet werden können. Bei solchen Annahmen (Refinanzierung von Entwicklung durch marktförmige Höchstmieten) bleibt kaum Spielraum für die Entwicklung von gemeinwohlorientiertem Raum.
Das Projekt an der Franz-Künstler-Str. ist im Vergleich schon weiter vorangeschritten. Das Gelände konnte in den letzten Jahren aus mehreren Teilstücken ins Eigentum des landeseigenen Wohnungsunternehmens Gewobag gebracht werden. Mit dem Vorhabenträger entwickelte das Bezirksamt einen B-Plan, der auf einer jahrelangen Genese aufbaut. 2015 versuchten auch mehrere Hausprojektgruppen im Rahmen eines Mietshäuser Syndikat Projektes auf der Fläche eine Umsetzung (mehr dazu in der GI-Studie S.65 ff) Das Projekt ist jetzt als einer von mehreren Standorten für Geflüchteten-Unterbringung im Bezirk vorgesehen. Hier sollen 300 „reguläre“ und 75 „experimentelle“ Plätze für Geflüchtete geschaffen werden. Noch besteht kein Konsens darüber, wie insbesondere die 75 Plätze für experimentelles Wohnen ausgestaltet werden sollen. Im Moment läuft ein „informelles Beteiligungsverfahren“, das über Methoden der „Urbanen Praxis“ Akteure integrieren soll, welche als kooperativ Beteiligte in die Planung und den Betrieb einsteigen wollen. Leider besteht erheblicher Zeitdruck, denn die Terminierung des B-Plans im Aufstellungsverfahren gibt den Takt vor.
Für beide Projekte sollte in der Gruppe am Tisch B überlegt werden, welche Maßnahmen, Methoden, Aktionen, Verfahren, Kooperationen einen Einstieg in die Projektentwicklung ermöglichen könn(t)en und wie die Zusammenarbeit über die Baustelle Gemeinwohl Plattform dabei helfen kann.
Beiträge aus der Gruppe
Zunächst wurde über Umstände berichtet und Erfahrungen gesammelt, die beispielhafte Probleme aufführten, welche in der Vergangenheit dazu führten, dass kooperationswillige und -fähige Akteure, leider doch nicht als Ko-Produzierende in die Neubau-Projekte einsteigen konnten.
Organisatorische Probleme
- Die Entwicklungsstände der Projekte sind intransparent. Es ist schwer einzuschätzen, ob der Aufwand noch lohnt, sich in ein Projekt „hineinzukämpfen“, weil es oft so scheint, als wären bestimmte Akteure (LWU) schon gesetzt, die wenig Raum lassen für andere. Gesetzte und bestimmende Akteure, scheinen wenig Interesse an der Kooperation mit gemeinwohlorientierten/zivilgesellschaftlichen Akteuren zu haben.
- Die formalen Abläufe von Entwicklungsverfahren produzieren spezifische Anforderungen, die zivilgesellschaftliche Akteure strukturell ausschlien (als kooperierende Beteiligte). Ein „normales“ Entwicklungsverfahren ist schon recht komplex und kooperative Verfahren noch mehr: Baurecht, Verwaltungsvorschriften, Planung, Finanzierung usw. – alles ist für Menschen, die nicht gewohnte Immobilienentwickler oder Bauträger sind, sehr herausfordernd und zieht sich über viele Jahre.
- Kosten für Boden, Kredite, Baumaterial sind gegenwärtig zu hoch. Die Projekte sind dadurch immer von Förderung abhängig und sie stellen enorme finanzielle Risiken für zivilgesellschaftliche Akteure dar.
- Zur Absicherung gegen Risiken ist die Entwicklung von kooperativen Trägermodellen wichtig, allerdings auch juristisch und organisatorisch herausfordernd. Die öffentliche Hand sollte da selbst innovativer vorangehen, und Kooperationsmodelle als Grundlage für moderne Nutzungs- und Immobilienkonzepte ansehen.
Betrachtung der Berliner Initiativen-Szene und des politischen Umfelds
- Bisher empfinden viele, dass sich die Initiativen in mehrere, programmatisch voneinander abgeschiedene Bereich aufteilen. So sind z.B. Inis, die sich um Themen im Bestand kümmern (z.B. gegen Verdrängung arbeiten) teils ziemlich strickt von Inis abgesondert, die Lösungen in Neubauprojekten suchen. Die einen identifizieren sich vielleicht als „Stadtschützer*innen“, die anderen eher als „Stadtmacher*innen“. Trotzdem arbeiten sie methodisch beide im Bereich „Community Organizing“. Gerade bei Neuentwicklungen stellt sich immer die Frage „für wen wird das gemacht“?, bzw. „wo kommen die Nutzer*innen her?“.
- Methoden des Community Based Design können da helfen, Akteure mit unterschiedlichen Arbeitsschwerpunkten gemeinsam in die Prozesse zu bringen. Ebenso können Methoden der Urbanen Praxis Akteure aktvieren, qualifizieren und als Kooperations-Akteure in die Verfahren bringen. Allerdings besteht immer ein Finanzierungsmangel bei Planungsbeteiligten, außerhalb der Vorhabenträger.
- Die Baustelle Gemeinwohl Plattform könnte hier eine wichtige Rolle einnehmen, wo jetzt schon Verbindungen wie das „Netzwerk Gi“ und das Netzwerk der Berliner „Mietshäuser Syndikats-Initiativen“ zumindest aufgeführt sind.
- Nicht geklärt ist bisher die Frage, wer (bzw. welche Gruppen) als „gemeinwohlorientierte Akteure“ gemeint und geeignet sind. Sind das nur zivilgesellschaftliche, selbstorganisierte Gruppen, oder sind es darüber hinaus auch wirtschaftliche Akteure mit (mehr oder weniger) gemeinwohlorientierten Statuten und Leitlinien, oder reicht es auch aus, wenn ein klar wirtschaftlich orientierter Akteur mal ein Projekt, oder auch nur Teilprojekt (z.B. aus Gründen des Marketings) gemeinwohlorientiert entwickeln will. Letztlich ist das ein Problem des Begriffs der „Gemeinwohlorientierung“, welcher immer das Maximale fordert aber im Rahmen des wirtschaftlich Machbaren verharrt. Es geht also immer um das Ausweiten des Machbaren.
- Darum müssen die Beteiligten auch bei jedem neuen gemeinwohlorientierten Kooperationsprojekt immer wieder erneut „Politik machen“. Die generelle Stadtentwicklungspolitik wird über die Ausweitung des Machbaren in Modellprojekten beeinflusst. Zum Aufgleisen der Projekte müssen daher „politische Beschlüsse“ angestrebt und organisiert werden, die zunächst lokal/bezirklich und dann regional auf der Ebene des Senats (oder noch höher) getroffen werden können. Durch den Beschluss einer BVV oder eines Bezirksamts hinsichtlich einer Zielstellung zur Entwicklung einer Potenzialfläche kommt der Ball ins Spiel. Es ist das nötige Startsignal (wie der „Anpfiff“, um in der Sportmetapher zu bleiben), das die Akteure brauchen, um zu erkennen, dass ihre Anstrengung zu etwas führen kann.
- Es braucht die Zusammenführung von Akteuren „die wissen, was sie wollen“ (Akteure mit Transformationsagenda) mit Akteuren, die „wissen, was sie tun“ (Akteure mit Immobilienentwicklungserfahrung). Dabei können die erfahrenen Immobilienentwickler den zukünftigen Nutzer*innen Lotsen sein. Öffentliche Strukturen könnten das programmatisch fördern und die Baustelle Gemeinwohl könnte dafür die Plattform sein.
- Auf der Baustelle Gemeinwohl könnte ein Archiv an konkreten Projekterfahrungen aufgebaut werden. Allerdings sind die Projekte auch jeweils so speziell, dass die Wahrscheinlichkeit relativ gering ist, Modelle wirklich direkt kopieren zu können. Eine engere Zusammenarbeit mit z.B. dem Runden Tisch Liegenschaftspolitik, Immovielien oder CoHousing von ID22 kann weiterhelfen und sollte angestrebt werden.
- Die aktuelle und insbesondere die letzte Berliner Koalition hat sich zur Unterstützung der kooperativen Stadtentwicklung bekannt und einen entsprechenden Beschluss zur Förderung von mehrfachgenutzten Immobilienprojekten gefasst.
Konkrete Ansätze (bezogen auf die beispielhaften Potenzialflächen aus der LokalBau-Karte: BSR-Areal und Franz-Künstler-Str.)
Zum BSR-Areal
- „DNA des Projektes entwickeln“:
- Weitere Akteure einladen, die eine gesellschaftliche Transformationsagenda verfolgen, die nahe an den BSR-typischen Themen ist: Stadtreinigung / Re- bzw. Up-Cycling / Müllvermeidung bzw. Ressourcenschonung / Dienstleistungen im öffentlichen Raum usw. Solche Akteure sollten frühzeitig als Nutzer*innen im zu entwickelnden Areal zur Kooperation gewonnen werden („onboarding Prozesse entwickeln“)
- Akteure mit klarer Umwelt-Thematik einbeziehen. Z.B: Industrie/Betriebe/Forschungsinstitute etc. für nicht-fossile Energiegewinnung, Einrichtung für Umweltbildung, …
- Genossenschaften (z.B. aus dem Bündnis Junge Genossenschaften) ins Verfahren holen, da diese für gemeinwohlorientierte Gewerbekonzeptionen antreten, evtl. mehr als die WBM als landeseigenes Wohnungsunternehmen.
- Auf Durchführung eines Konzeptverfahrens drängen:
- Ein Konzeptverfahren ermöglicht die „Unterwertvergabe“, welche wiederum ermöglicht, das Entwicklungen zum Ausbau der infrastrukturellen Daseinsvorsorge entstehen können.
- Die öffentliche Hand könnte das Verfahren finanzieren
- Aber dann herrscht ein „Konkurrenzproblem“ zwischen gemeinwohlorientierten Akteuren. Wie wird ein Weg geebnet, sich zu einer ARGE (Arbeitsgemeinschaft) zusammenzufinden?
- Genossenschaften suchen in diesen Prozessen ihre Rolle. Eventuell können sie Projektentwicklungskosten finanzieren.
Zu Franz-Künstler-Str:
- Die Gewobag als Vorhabenträger (und Eigentümerin des Grundstücks) hat angeboten, dass sie gerne mit Akteuren in der Planung zusammenarbeiten möchte, die jetzt relativ spontan in die Planung und Entwicklung einspringen können, wenn diese denn verbindlich zusichern können, auch voll in die spätere Nutzung bzw. den späteren Betrieb einzusteigen.
- Die Darstellung des Projektes auf der Plattform sollte schnell angestrebt werden, damit sich interessierte Akteure damit auseinandersetzen können.
Die offene Diskussion bei der Veranstaltung wird durch diese Ergebnissicherung strukturiert zusammengefasst. Um dabei nicht wesentliche Punkte zu verlieren haben wir eine Fokusgruppe unter den Teilnehmenden gebildet, die diesen Text lektorieren und überarbeiten.
Der Dank gilt allen Beteiligten gleichermaßen, egal in welcher Rolle sie mitgemacht haben. Außerdem soll die Entwicklung der Zusammenarbeit und der Plattform auch 2023 weitergehen. Mehr Informationen zum vorgesehenen Entwicklungsprozess der Baustelle Gemeinwohl, ist im folgenden Text zu finden.