Eine neue Genossenschaft zum Schutz Berliner Mieter*innen
In Berlin wurde der sogenannte Milieuschutz in den letzten Jahren stark ausgeweitet. In großen Teilen der Stadt haben die Bezirksämter damit ein „kommunales Vorkaufsrecht für Dritte“, das es ihnen ermöglicht in Hausverkäufe einzugreifen. Doch für viele bleibt der Milieuschutz theoretisch, wenn nicht Genossenschaften wie die DIESE eG mit speziellen Finanzierungskonzepten die Hausgemeinschaften auffangen.
Das Problem mit dem Milieuschutz
Einem bezirklichen Vorkauf für Dritte gehen immer zwei Dinge voran:
- Den Käufer*innen wird die Chance gegeben, den Vorkauf abzuwenden, indem sie den Mieter*innen umfassende Schutzrechte einräumen: Diese Schutzrechte werden in einer Abwendungsvereinbarung formuliert. Nur wenn die Käufer*innen den vom Bezirksamt geforderten Schutz für die Mieter*innen nicht garantieren will und die Abwendungsvereinbarung also nicht unterzeichnen, kann das Vorkaufsrecht für Dritte geltend gemacht werden. Diese Dritten müssen die Schutzrechte dann geben.
- Es wird eine Wirtschaftlichkeitsprüfung gemacht: Darüber wird geklärt, ob ein Haus in einem wirtschaftlichen Rahmen von einem der landeseigenen Wohnungsunternehmen übernommen werden kann. Bei den stark von der Spekulation nach oben getriebenen Kaufpreisen, die auch von den einspringenden Dritten bezahlt werden müssen, kann die „Wirtschaftlichkeit“ nur Hilfe hoher Kaufzuschüsse aus dem Fonds des Landes Berlin (SIWANA) erzielt werden. Ohne diese Zuschüsse sind die kommunalen Unternehmen nicht dazu bereit, die Häuser zu übernehmen.
Das Problem an der Sache:
- Sind die landeseigenen Wohnungsunternehmen aufgrund der „negativen Wirtschaftlichkeitsberechnung“ nicht bereit, als Dritte die Häuser zum Schutz der Mieter*innen zu übernehmen, wird kein Vorkaufsrecht ausgeübt. Damit entfällt das Druckmittel, das die Käufer*innen dazu bringt, die Abwendungsvereinbarungen zu unterzeichnen.
- So gelangen immer wieder Häuser ohne Schutz für die Hausgemeinschaften ins Eigentum aggressiver Investor*innen. Oft sind harte Mieterhöhungen, Umwandlung in Eigentumswohnungen und Entmietungen die Folge – also genau das was in Milieuschutzgebieten verhindert werden sollte.
- Infolgedessen verändern sich die Struktur und Zusammensetzung der Bewohner*innen und damit der vielfältige Charakter der Berliner Kieze rasant. Die Bezirksverwaltungen können ihren Auftrag zum Milieuschutz in sozialen Erhaltungsgebieten kaum noch erfüllen.
DIESE eG als mögliche Lösung
Um die Bewohner*innen solcher Häuser zu schützen, wurde die DIESE eG von betroffenen Mieter*innen und Unterstützer*innen aus anderen Initiativen gegründet. Sie soll und wird Immobilien nur dann erwerben, wenn
- kein kommunales Unternehmen zum Dritterwerb bereit ist,
- keine anderen geeigneten Drittkäufer*innen gefunden werden konnten und
- die Käufer*innen nicht bereit sind, eine Abwendungsvereinbarung zum Schutz der Mieter*innen zu unterschreiben.
Der Erwerb von Häusern durch die DIESE eG setzt weiterhin voraus, dass
- die Mieter*innen gewillt sind, sich über Genossenschaftsanteile am Kauf zu beteiligen, der Erwerb bei sparsamster Hausbewirtschaftung und Einsatz aller relevanten Förder- und Finanzierungsinstrumente finanziell darstellbar ist,
- sich die Genossenschaft vertraglich dazu verpflichtet, die Vorgaben der Mietpreisbremse und des Mietendeckels einzuhalten und auf kostenintensive bauliche Maß- nahmen (z.B. Anbau von Balkonen oder Aufzügen) zu verzichten
- für Flächen zwischen 25 % und 50 % mit dem Land Berlin eine Belegungsbindung für Mieter*innen mit Wohnberechtigungsschein (WBS) vereinbart wird.
Beispiele von Mieter*innengemeinschaften, die dank Stiftungen oder anderen Finanzierungsquellen ihr eigenes Haus erwarben, haben die Motivation der Berliner Mieter*innen, neue Wege zur Sicherung ihres Wohnraumes zu gehen, deutlich erhöht.
Die Vorteile der DIESE eG für die Stadt Berlin
In einem stark angespannten Wohnungsmarkt, auf dem Mieter*innen nicht selten 50 % ihres Einkommens für ihre Wohnung aufwenden müssen, ist die DIESE eG ein klares Signal zivilgesellschaftlicher Initiative gegen „Turbo-Gentrifizierung“ und damit auch gegen wachsenden Unmut und partielle Politikverdrossenheit der Bevölkerung. Unser Ansatz stellt in mehrfacher Hinsicht einen Gewinn für die Stadt dar. Unterstützt werden:
- die Sicherung bestehender und zukünftiger Bewohner*innenstrukturen durch die Umwandlung von privatem in gemeinschaftliches Eigentum,
- die Stärkung des Milieuschutzes, der sich andernfalls durch die Anwendung von Regelungen im Baugesetzbuch de facto umgehen lässt,
- der Kauf von kleineren Wohnhäusern, deren Erwerb städtische Wohnungsbaugesellschaften häufig für wirtschaftlich nicht tragbar halten
- die Kommunalisierung ohne Enteignung durch die Überführung von Wohnhäusern
in eine dem kommunalen Eigentum ähnliche Form zu – für das Land Berlin – geringeren Kosten. Die Debatte über Verstaatlichung ist durch DIESE eG um einen neuen Weg erweitert.
Für die Mieter*innen der sich im Vorkauf befindenden Wohnhäuser bietet der Weg, den die DIESE eG beschreiten will, ebenfalls eine Reihe erheblicher Vorteile. Er führt zur:
- Stärkung der Hausgemeinschaften und des nachbarschaftlichen Engagements der Bewohner*innen
- Erhöhung der Mitbestimmung, da die Mieter*innen durch eine Beteiligung am Hauskauf zu gemeinsamen Eigentümer*innen der Genossenschaft werden und die Entwicklung ihrer Häuser mitgestalten können
- Sicherheit, dauerhaft in ihrem Haus wohnen zu können – ein Umzug bedeutet derzeit fast immer eine starke Beeinträchtigung der Lebensqualität, besonders für Rentner*innen und wachsende Familien, während die DIESE eG Neuvermietungen nicht zu Mietpreissteigerungen nutzen wird.
Einen Vorteil für die Stadt und Mieter*innen zugleich bietet die Genossenschaftsstruktur selbst: Sie garantiert, dass die Häuser permanent im gemeinschaftlichen Besitz der DIESE eG bleiben und selbst im äußerst unwahrscheinlichen Fall von Notverkäufen durch im Grundbuch vermerkte Vorkaufsrechte für das Land Berlin gesichert bleiben.