In verschiedenen kooperativen Bau- und Planungsprojekten im Bezirk wird versucht, unterschiedliche gemeinwohlorientierte Akteur*innen in die Rolle der Bauherr*innen zu bekommen. Natürlich ist in der Regel eines der landeseigenen Wohnungsunternehmen1 gesetzt, um kommunalen Wohnungsbau umzusetzen, welcher aber mit der Entwicklung von Wohnungsbau und Gewerbeflächen durch private gemeinwohlorientierte Akteure ergänzt werden sollte. Die Mischung kann für die Quartiere Vorteile bei der räumlichen Nutzungsprogrammierung und der Bevölkerungsstruktur bringen. Doch die Gegebenheiten (Politik & Markt) sind herausfordernd und verlangen nach Kooperation und allseitigen Anstrengungen der Beteiligten.
Die Weichenstellungen der Politik im Land Berlin
In den Richtlinien der Regierungspolitik des amtieren Berliner Senats 2023–2026 wird an mehreren Stellen die Förderung des Genossenschaftswesens ausdrücklich genannt (siehe folgende Zitate). „Die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften sollen verstärkt mit Baugrundstücken versorgt werden.“ Wie schon unter der Vorgängerregierung „hält der Senat daran fest, grundsätzlich keine landeseigenen Grundstücke oder Wohnungen zu verkaufen. Hiervon darf bei gemeinwohlorientierten Wohnungsbaugenossenschaften im Einzelfall abgewichen werden. Mit dem Ziel der Durchmischung bei größeren Quartiersentwicklungen auf landeseigenen Grundstücken sollen Genossenschaften in angemessener Weise bei der Vergabe von Flächen berücksichtigt werden. Die Vergabe kann durch Erwerb oder im Wege eines Erbbaurechts mit langfristiger Mietpreis- und Belegungsbindung erfolgen. Hierbei kann ein vereinfachtes Konzeptverfahren angewandt werden, wenn die soziale Bindung grundbuchlich gesichert wird.“
Ein vereinfachtes Konzeptverfahren muss kommen
Der Senat kommt mit der Erwähnung eines „vereinfachten Konzeptverfahrens“ einer Forderung entgegen, die schon 2021 von den Akteur*innen der Baustelle Gemeinwohl Plattform (im Besonderen getragen durch das Netzwerk GI) aufgestellt wurde. Mit dem Papier „Berlin braucht das gemeinwohlorientierte Konzeptverfahren“ wurde eine Vereinfachung des Verfahrens vorgeschlagen, denn die bisherige Praxis bei Konzeptverfahren in Berlin ist weitgehend gescheitert.
Konzeptverfahren sind für die Beteiligten so wohl zu teuer wie zu unsicher und damit unwirtschaftlich. Der gewünschte Effekt an die beste Lösung für ein Quartier zu kommen, lässt sich so nicht erreichen. Deshalb sollte ein vereinfachtes Konzeptverfahren zweistufig konzipiert sein. In der ersten Stufe sollte von den an einer Umsetzung Interessierten nur ein textliches Konzept (inhaltliches Konzept und Finanzierungskonzept) eingebracht werden, das noch keine architektonische Planung enthält. Auf dieser Grundlage sollte eine „Anhandgabe“ an das beste Gebot mit kurzer Laufzeit gegeben werden. Gelingt es der/m Bietenden innerhalb dieser Frist ein funktionierendes Gesamtkonzept einschließlich der baulichen Planung zu erbringen, wird eine Direktvergabe umgesetzt. Damit würde die Entwicklungszeit stark verkürzt und die Attraktivität, Gebote einzureichen extrem erhöht. Kommt eine entsprechende Änderung nicht, wird es bei den gegebenen sonstigen Faktoren im Baugewerbe vermutlich keinen gemeinwohlorientierten Akteur geben, der sich bei Konzeptverfahren beteiligen kann.
Kosten für das Erbbaurecht
Es ist schon jetzt gängige Praxis, dass bei den Geboten im Rahmen von Konzeptverfahren sehr niedrige Werte für den Erbbauzins möglich sind. Gefordert wird nur ein „positiver Erbbauzins“, der auch nahe Null liegen kann (siehe z.B. Ausschreibung für Gebote 2023 „Brückenstraße“ in Niederschöneweide). Damit reagiert die BIM als Herrin der Konzeptverfahren im Auftrag des Senats auf die realen Gegebenheiten in der Baubranche. Auch im Vergleich zur üblichen Praxis der für die Unternehmen im Prinzip kostenfreien Grundstückseinbringung bei landeseigenen Wohnungsunternehmen, ist der weitgehende Verzicht auf Einnahmen durch den Erbbauzins angemessen.
Förderungen zur Abmilderung der herausfordernden Rahmenbedingungen
Das statistische Bundesamt zeigt einen starken Einbruch bei den Baugenehmigungen. Dies ist insbesondere auf die herausfordernden Rahmenbedingungen zurückzuführen: Steigende Baukosten, Fachkräftemangel, hohe Bauzinsen. Auch für die landeseigenen Wohnungsbauunternehmen sind diese Gegebenheiten schwierig, aber ihnen stehen als politisch geförderte landeseigene Betriebe insbesondere zur Finanzierung andere Möglichkeiten zur Verfügung.
Die privaten gemeinwohlorientierten Akteure werden über die „Genossenschaftsförderung“ im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung gefördert. „Es können sowohl der Neubau als auch der Bestandserwerb mit zinslosen Darlehen gefördert werden und förderfähig sind auch der Erwerb von Geschäftsanteilen oder die Zahlung projektbezogener Beteiligungen, die Voraussetzung zum Bezug einer genossenschaftlichen Wohnung sind. Das Angebot richtet sich an Haushalte mit Wohnberechtigungsschein (WBS) bzw. innerhalb der Einkommensgrenzen für einen WBS, die Wohnraum bei einer Genossenschaft in Berlin beziehen möchte.“
Außerdem hat das Land Berlin die Wohnbauförderung reformiert. Inzwischen gibt es vier Fördermodelle:
- Fördermodell 1: Öffentliches Baudarlehen für Neubauten
- Fördermodell 2: Öffentliches Baudarlehen für Neubauten zur Schaffung oder Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen
- Fördermodell 3: Öffentliches Baudarlehen für Neubauten zur Berücksichtigung von mittleren Einkommen
- Fördermodell 4: Öffentliches Baudarlehen bei Aufstockungen/Dachausbauten oder bei Nutzungsänderung
Dadurch wurde der Neubau von gefördertem Wohnraum sehr viel attraktiver, so dass die meisten landeseigenen Wohnungsunternehmen, jetzt deutlich über den Mindestanteil von 30 % gefördertem Wohnraum mit entsprechender Mietpreisdeckelung hinausgehen. Im privaten Sektor ist noch keine deutliche Zunahme des geförderten Wohnungsbaus auszumachen, aber für gemeinwohlorientierte Akteure sind inzwischen Mischkonzepte mit höheren Anteilen an gefördertem Wohnraum Standard.
Vorteilhafte Struktur der Bewohner*innen
Gerade wenn von den landeseigenen Wohnungsunternehmen in den Neubauprojekten um die 90% aller Wohnungen als geförderte Wohnungen errichtet werden, ist der Blick auf die Zusammensetzung der Bevölkerungsstruktur auf der Ebene des Quartiers wichtig. Die Klientel der privaten gemeinwohlorientierten Akteur*innen zeigt im Schnitt deutlich höhere Niveaus bei den Sozialdaten. Dennoch besteht, wie auch in der Gesamtbevölkerung, bei den Mitgliedern der genossenschaftlichen Akteur*innen eine deutliche Unterdeckung in der Versorgung mit Wohnraum. Deshalb bauen die Gemeinwohlorientierten Wohnungen zunächst auch für die eigenen Mitglieder. Dies gilt für alle Fördermodelle, aber dennoch werden in der Regel die Wohnungen nicht nur mit Mitgliedern belegt. Eine Mischung unter den Bauherren führt auch zu einer höheren Durchmischung bei den Bewohner*innen und damit zu stabileren Kiezen.
Umsetzung von Gewerben mit geplanten Funktionen in den Quartieren
Der Neubau und die Vermietung von Gewerbeflächen – meist in den Erdgeschosslagen von darüber liegenden Wohngebäuden – sind für die landeseigenen Wohnungsunternehmen (LWU) ein Betätigungsfeld, in dem deutlich weniger politische Auflagen das Geschäftsgebaren regeln. Die LWU stellen aber einen Großteil der Räume für viele soziale Einrichtungen (z.B. Kitas oder Beratungsstellen), für die Mieten nur in Höhe der geförderten Kostenmieten leistbar sind. Bei Neubauprojekten wird regelmäßig mit Einnahmeerwartungen entsprechend zu aktuellen Marktpreisen gerechnet, womit die Räume außerhalb der Leistbarkeit für gemeinwohlorientierte Akteur*innen der Sozialwirtschaft sind.
Auch der Neubau von Gewerberaum durch private gemeinwohlorientierte Akteur*innen führt nicht automatisch zu deutlich günstigeren Gewerbemieten, doch ist eine abgestimmte und kosteneffiziente Planung zwischen Bauherr*innen und späteren Nutzer*innen leichter umsetzbar. Das gilt ebenso für den Bereich gewerbliches Wohnen bzw. den Sonderbereich des Trägerwohnens.
Besondere Formen des Gemeinschaftswohnens
Es gibt großen Bedarf an Sonderwohnformen. Viele Menschen wünschen sich verschiedene Gemeinschaftswohnformate mit ganz unterschiedlichen Standards. Beispielsweise sind über den landeseigenen Akteur STATTBAU und deren Projekt „Netzwerkagentur GenerationenWohnen“ etliche Gruppen als sogenannte „Wohntische“ organisiert, die alle nach einer Umsetzung ihrer Projektansätze suchen. Die LWU können den oft sehr individuellen Ansprüchen im Rahmen ihrer Förderbedingungen kaum entsprechen, zumal die Belegung der Wohnungen entsprechend zur Kooperationsvereinbarung bei ihnen diskriminierungsfrei und damit anonym durchgeführt werden muss. Das schließt aus, dass spätere Nutzer*innen schon früh in Planungsprozesse einbezogen werden können. Anders bei privaten gemeinwohlorientierten Akteuren. Hier könnten schon in der Planungsphasen verbindliche Kooperationen entstehen, die dazu führen, nachgefragte besondere Wohnformen zielgerichtet entstehen zu lassen.
1 Mit landeseigenen Wohnungunternehmen (LWU) sind gemeint: degewo, Gesobau, Gewobag, HOWOGE, Stadt und Land, WBM. Im Prinzip gehört auch die Berlinovo, allerdings gilt die Kooperationsvereinbarung zwischen dem Land Berlin und den LWU nur für die „klassischen Wohnungsbestände“ der Berlinovo.